Ein Hartz 4 Künstler

Wir sind die Urheber – schreit die Künstlerszene dieser Tage hinaus in die Welt.  Von Diebstahl, Gier und Geiz ist die Rede in ihrem offenen Brief, von der Aberkennung individueller Rechte, von einem bürgerlichen Anrecht auf Bezahlung. Verwerter sind Diebe, und der Zugang zum Internet ist ihr Dietrich in einen rechtsfreien Raum der sie um Spass, Information und Unterhaltung bereichert – auf Kosten der Schaffenden, so heißt es. Verwerter, wie abfällig das schon klingt. Wie die Endstation im Verdauungstrakt.

Wo soll man nur anfangen bei all diesem Wischiwaschi?

Möglicherweise bei der Annahme, dass die Verwerter, also die so genannten Profiteure der Kunstschaffenden unter einem generellen Tatverdacht stehen, etwas, was sie irgendwo für umsonst sehen, nicht kaufen zu wollen. Nun ist es ja nicht so, um mal einen Vergleich heranzuziehen, dass z.B. Mario Adorfs großer Meisterschinken Ein Mann spielt um sein Leben kostenlos herumliegt und man ihn nur in die Tasche zu schieben braucht – zuerst müsste man sich Zutritt zum Buchladen verschaffen und die unter dem Buchstaben A gelisteten Werke auf ihre Legitimität hin prüfen. Oje! Da ist Adorf, Aorf und A dwarf – ein Mann spielt mit seinem oder um sein Leben, hinten irgendwo: ein Mann spielt mit seinen Genitalien – deutsche Untertitel.

Was ich damit sagen möchte ist, dass es von Seiten der Benutzer deutlich mehr bedarf als die viel zitierte “will haben – nix zahlen” – Mentalität um an besagten Titel zu gelangen. Es sind ja auch illegale Downloads, wie der Name schon sagt. Die Hemmschwelle ist groß – und ich kenne niemanden der leichtfertig das Gesetz bricht für Sachen die er haben möchte, selbst wenn es einfach scheint; die Großzahl der Verwerter haben schließlich das Bedürfnis, ihre Helden dafür zu entlohnen sie gut unterhalten zu haben – aus Dankbarkeit.

Der Gerechtigkeitssinn der Verwerter endet natürlich da, wo etwas nicht gefällt, sprich bei einem Download der sich als Griff ins Klo erweist. Da bewahren unsere Künstler also Recht in ihrer Vermutung – andererseits muss es erlaubt sein, die Frage zu stellen, ob diejenigen, die “etwas auf Verdacht” runterladen, etwa das neue Buch von Markus Lanz oder einen Film, der nicht eindeutig ins Beuteschema passt, auch zur Riege der gierigen Diebe zählen. In meinen Augen sind dies nicht abtrünnige Käufer, sondern Menschen, die diese Titel aus Unsicherheit nie gekauft hätten.

Bereitwillig werden jedoch auch diese Probier-Downloads auf die Soll-Seite geworfen und als entgangener Gewinn verzeichnet, der nie weiter in nachvollziehbaren Zahlen definiert wird. Jemand der sich ein Buch nie gekauft hätte, es aber downloadet verursacht nach Adam Ries erst mal keinen Gewinnverlust – aber im Idealfall hat er das Potential ein neuer Fan zu werden, wenn das Produkt denn gefällt. Wenn nicht, wird er nie wieder etwas von jenem Künstler downloaden geschweige denn kaufen wollen.

Und da liegt der Hund begraben. Bezahlung für Kreativität – ein schönes Konzept. Ich würde auch liebend gerne für mein Abendbrot singen, doch als Bloggerin singe ich und hungere, und übe mich an meiner Lautstärke. Und ich teile sogar bereitwillig Ausschnitte aus meinem Buch, weil ich keine andere Wahl habe. Das Konzept der künstlichen Verknappung wird mir nach seiner darwinistischen Wirkweise nicht dabei behilflich sein,  als Geheimtipp empfohlen zu werden. Empfehlungen erhalten Charlotte Roche oder das Buch von Mario Adorf, die sind schon bekannt, und da kann man weniger falsch machen.

Die eigentliche Gemeinheit ist jedoch, dass diejenigen, die so auf ihr Recht auf Bezahlung als Künstler pochen, nicht etwa als Künstler auf die Welt gekommen sind. Charlotte Roche war zu Beginn ihrer Laufbahn im Mediengeschäft VIVA- Moderatorin, bevor sie ins Autorenfach wechselte, Adorf erlangte als Schauspieler Berühmtkeit und Anerkennung, bevor er selbst Bücher schrieb. Ich behaupte jetzt mal ganz dreist, dass ihre Bekanntheit ihnen dazu verholfen hat, in der Riege der Künstler Fuß zu fassen – und erfolgreich zu sein inklusive eines Marketingkaders, bei dem Karla Kugelschreiber ganz schwindelig wird. Das Künstlerdasein allein ist ein hartes Brot – vor allem wenn es die einzige Erwerbsquelle ist.

Also wenn schon, denn schon, liebe Künstler! Eine Art Hartz 4 für Künstler wäre die ideale Lösung für uns alle. Eine Grundvergütung für Blogger, Autoren, Musiker, Modder und einfach alle, die auf welchem Weg auch immer Erlebniswelten erschaffen, ausüben oder demonstrieren.

Wir Künstler könnten schön schaffen und bekämen dafür eine Flatrate-artige Bezahlung, unabhängig vom Bekanntheitsgrad, von mir aus auch gekoppelt an einen monatlichen Schaffensnachweis. Wunderbar! Ich wette jedoch meinen verwitterten Notizblock darauf, dass Herr Adorf oder Frau Roche dagegen ihre Einwände hätten.